Erbrecht in Kanada (Québec, Ontario und British Columbia)

Es gibt in Kanada kein einheitliches Bundes-Erbrecht. Jede der 10 Provinzen hat ihr eigenes Zivilrecht und damit auch Erbrecht und regelt selbständig bei Bezug zum Ausland, d.h. anderen Provinzen oder dem sonstigen Ausland, wann ihr Erbrecht Anwendung findet oder wann das auswärtige Recht zum Zuge kommt.

 

In Deutschland benötigt man einen Erbschein, um über den Nachlass verfügen zu können. In Kanada genügt dieser nicht. In Kanada wird das Eigentum an den nachlassgegenständen durch einen Vermögenstreuhänder bzw. -verwalter verteilt. Dieser hat die Aufgabe, den Nachlass zu ermitteln, zu prüfen, zu verwalten und gemäß dem Willen des Erblassers oder der gesetzlichen Erbfolge zu verteilen und den Erben zu übereignen, gemäß den speziellen Regelungen der jeweiligen Provinz.

 

Banken verlangen üblicherweise die Bestimmung eines Vermögensverwalters / Testamentsvollstreckers in der Provinz, in welcher sich das Konto befindet. Es müssen somit die in Kanada in jeder Provinz jeweils geforderten Erbnachweise und Erfordernisse erfüllt werden, um an den Nachlass als Erbe zu gelangen

 

Regelungen der einzelnen Provinzen:

 

QUÉBEC:

Das Erbrecht ist in den Art. 613 – 818 des Code Civil Québec (CCQ) geregelt, die Regeln für die internationale Rechtsanwendung finden sich in den Art. 3097 - 3101 CCQ.

 

Für bewegliches Vermögen gilt das Erbrecht des Landes, in welchem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, für Grundstücke das Recht des Belegenheitsortes. Für dingliche Rechte und ihre Veröffentlichung ist das Recht des Ortes maßgebend, an dem das betreffende Grundstück sich befindet.

 

Der Erblasser kann testamentarisch bestimmen, ob er gemäß dem Recht seiner Staatsangehörigkeit oder dem seines Aufenthaltsortes beerbt werden möchte, nur darf er herbei nicht seinen Ehegatten oder seine Kinder benachteiligen. International zuständig ist für einen Erbfall das Gericht, wo der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

 

Eine Person kann in einem Testament das auf ihre Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht bestimmen, sofern es sich um das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie zum Zeitpunkt der Bestimmung oder ihres Todes ihren Wohnsitz hat, oder das Recht des Ortes, an dem eine in ihrem Eigentum stehende Immobilie belegen ist, jedoch nur in Bezug auf diese Immobilie.

 

Gesetzliche Erben sind die Kinder und der überlebende Ehegatte. Der Ehegatte hat neben den Kindern 1/3 des Nachlasses. Bei kinderlosen Paaren erbt der Überlebende 2/3 und die Eltern des Erblassers 1/3.

 

Ein Erblasser kann durch Testament individuelle Regelungen treffen. Das schriftliche Testament ist unter Mitwirkung von 2 Zeugen zu errichten, die keine Erben sein dürfen. Diese müssen die Testamentserklärung des Erblassers unterschreiben, der Erblasser kann also frei diktieren und die Zeugen schreiben und unterschreiben lassen. Der Erblasser kann es aber auch handschriftlich verfassen und unterschreiben, ohne Beiziehung von Zeugen, oder er beurkundet ein notarielles Testament.

 

Es gibt kein Pflichtteilsrecht. Unterhaltsberechtigte haben aber einen besonderen Anspruch: Jeder Unterhaltsberechtigte kann innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod einen finanziellen Beitrag aus dem Nachlass als Unterhalt verlangen. Die Bestimmung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts ist insoweit unwirksam, als das bestimmte Recht dem verheirateten oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten oder einem Kind des Erblassers ein Erbrecht entzieht, das ihm ohne eine solche Rechtswahl zugestanden hätte.

 

Der Erbe kann einen Testamentsvollstrecker „Liquidator“ testamentarisch bestimmen. Der Nachlass geht dann zunächst treuhänderisch auf diesen über. Der Liquidator hat den Nachlass zu ermitteln, zu verwalten, die Schulden zu begleichen und dann den Rest zu verteilen. Fehlt diese Bestimmung, verwalten die Erben den Nachlass selbst.

 

Wenn keine Erben bekannt werden, wird der Nachlass bis zu deren Bekanntwerden vom „Revenu Québec“ verwaltet. Können sich die Erben nicht auf einen Verwalter einigen, wird dieser vom Gericht bestimmt. Der Verwalter muss seine Einsetzung im Provinzregister bekannt machen. Er braucht keine Sicherheit für seine Tätigkeit zu leisten. Nach Abschluss dieser Veraltungs-Regelungen wird der verbleibende Rest den Erben zu Eigentum übertragen. Der Liquidator haftet den Erben oder Gläubigern persönlich für Pflichtverletzungen.

 

Es gibt keine Erbschaftssteuern, aber eine Bundessteuer als Kapitalgewinnsteuer. Es werden 50 % das Welterbes des in Québec ansässigen Erblassers als Nachlass versteuert. Die Provinz erhebt eine zusätzliche Steuer. Der in Kanada lebende überlebende Ehegatte ist von dieser Steuer ausgenommen. Es gilt mit Deutschland für die Erbschaftssteuer kein Doppelbesteuerungsabkommen. Die Kapitalgewinnsteuer ist auf die deutsche Erbschaftssteuer nicht anrechenbar und nur zur Reduzierung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

 

Ein Erbe kann die Erbschaft ausschlagen. Es ist aber die Ausschlagung insoweit unwirksam, als sie gegen besondere Erbschaftsregelungen verstößt, die für bestimmte Vermögensgegenstände nach dem Recht des Belegenheitsstaates aufgrund ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Bestimmung gelten.

 

Soweit das Erbrecht in Bezug auf im Ausland belegenes Vermögen nicht durchgesetzt werden kann, können Berichtigungsmaßnahmen auf in Québec belegenes Vermögen angewandt werden, und zwar insbesondere durch eine Neufestsetzung der Anteile, eine neue Aufteilung der Schulden oder ein Ausgleichsabzug, der durch eine korrigierende Teilung.

 

Sieht das auf die Rechtsnachfolge des Erblassers anzuwendende Recht nicht vor, dass er einen in Québec zugelassenen Nachlassverwalter oder Liquidator haben kann und haben die Erben Rechte, die in Québec auszuüben sind, oder bestimmte Nachlassgegenstände, die in Québec belegen sind, kann ein Nachlassverwalter oder ein Liquidator nach dem Recht von Québec bestellt werden.

 

ONTARIO

Die Erbrechtsregelungen in der Provinz Ontario finden sich in den Art. 1 – 79 des „Succession Law Reform Act, R.S.O. 1990, c.S.26 and Consequential Amendments ACT SLRA“.

 

Es besteht auch in Ontario die Möglichkeit eines handschriftlichen eigenhändigen und unterzeichneten Testaments ohne Beiziehung von Zeugen.  

 

Der überlebende Ehegatte erhält in dieser Provinz einen “preferential share“ im Wert von 200.000,00 CAD, Art. 45 Succession Law Reform Act. Erst was darüber hinaus geht, bekommen der überlebende Ehegatte und die gesetzlichen Erben gemeinschaftlich.

 

Nach Eintritt eines Erbfalles geht das Eigentum am Nachlass nicht direkt auf die Erben über, sondern erst an einen Testamentsvollstrecker („Estate Trustee“). Nur dieser ist befugt, den Nachlass zu sichten, zu verwalten und zu verteilen.

 

Es wird durch „Estate Trustee“ ein Verfahren „Probate of he estate“ durchgeführt.

 

Gemäß Art. 7 Estates Act der Provinz Ontario ist ein Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses „Certificate of Appointment of Estate Trustee or for a Small Estate Certificate“ an den Superior Court of Justice zu richten und bei dem Amt einzureichen, das für den Bezirk zuständig ist, in dem der Erblasser oder Vermächtnisnehmer zum Zeitpunkt seines Todes einen festen Wohnsitz hatte. Dies gilt für Nachlässe von über 150.000 CAD an Wert.

 

Bei Nachlässen von geringem Wert werden mit den Banken Einzelregelungen vereinbart. Befinden sich Immobilien im Nachlass, ist das Probate-Verfahren immer notwendig, denn nur so kann die Immobilie nach Zuteilung auch verkauft werden. Man kann durch dieses Verfahren und seine Registrierung auch immer Auskunft über einen angeschlossenen und geregelten Erbfall erlangen. Die Antragstellung ist förmlich und es sind bestimmte gerichtliche Formblätter auszufüllen und vorzulegen (Form74A, Form 74B, Form 74C, Form 74D, Form 74E und Form 74F), je nach der Art des Antrages und Erbfalles. Es sollte insofern immer anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.  

 

Wenn der Antrag vom Gericht geprüft und gebilligt worden ist, wird von diesem das „Certificate of Appointment of Estate Trustee“ erteilt. Das Verfahren dauert im Normalfall zwei Wochen.

 

Nach Erteilung dieses Zeugnisses ist innerhalb von 6 Monaten eine „Estate Information Return“ – Erklärung einzureichen mit der Angabe aller Nachlasswerte zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls.

 

Es ist eine „Estate Administration Tax“ zu zahlen, welche vom Testamentsvollstrecker zu erklären, zu berechnen und zu zahlen ist.

 

Jeder Erbe oder Nachlassberechtigter hat Anspruch, vom Testamentsvollstrecker eine Kopie dieses Antrages zu bekommen. Diese Kopie muss vom Testamentsvollstrecker vor einem „Commissioner for Taking Affidavits in Ontario“ unterzeichnet worden sein. Diese schriftliche Information der Erben muss vom Testamentsvollstrecker vor der Einreichung seines Antrags bei Gericht übersandt werden.

 

Wurde vom Erblasser kein Testamentsvollstrecker bestimmt, wird dieser vom Gericht auf Antrag ernannt. Dieser muss seinen Sitz in Ontario haben und muss eine Kaution hinterlegen. Bei testamentslosen Erbfällen wird das „Office of he Public Guardian and Trustee“ mit der Nachlasssicherung und Verwaltung beauftragt. Es fällt außerdem im Erbfall eine Kapitalgewinnsteuer an („Capital Gains Tax“), wie bei einer Veräußerung.

 

Nach Abschluss der Maßnahmen des Testamentsvollstreckers / Verwalters wird das Eigentum am verbliebenen Nachlass an die Erben übereignet.

 

Gesamthandseigentum, wie z.B. Anteile an gemeinschaftlichen Konten oder Lebensversicherungen fallen nicht in den Nachlass und werden den Erben direkt zugeteilt.

 

BRITISH COLUMBIA

Das Erbrecht dieser Provinz wird geregelt durch den „Wills, Estates and Succession Act“ WESA, in Kraft seit 31.03.2014. Dieser reformierte grundlegend das bisher dort geltende Erbrecht.

 

Die Rechtsanwendung knüpft hier für bewegliches Vermögen an den Ort des letzten Wohnsitzes (domicile) des Erblassers an, für unbewegliches Vermögen (Grundstücke) an das Belegenheitsrecht der Immobilien, sec. 61 (1) WESA.

 

Die gewillkürte Erbfolge wird in dem dortigen Art. 35.1 bis 83 geregelt. Ab einem Alter von 16 Jahren ist man testierfähig. Das Testament muss schriftlich vor zwei Zeugen verfasst werden, die es auch unterzeichnen müssen.

 

Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass die Erben zu gleichen Teilen dessen Kinder sind.  

 

Nach dem Recht von British Columbia (BC) geht mit dem Tod des Erblassers dessen Vermögen auf einen Nachlassabwickler (personal representative) über, Sec. 102 WESA, welcher den Nachlass für die Begünstigten als Treuhänder verwaltet. Nicht jedoch geht dergestalt Vermögen über, das außerhalb des Nachlasses übergeht ,z.B. das über ein Anwachsungsrecht (joint tenancy), einen lebzeitigen Trust (living trust) oder eine Todesfallbegünstigung aus einem kanadischen Altersvorsorgeplan.

 

Der deutsche Erbschein oder ein deutsches Testament-vollstreckerzeugnis wird nicht anerkannt, kann aber zur Vereinfachung behilflich sein. 

 

Zuständig für das Probate-Verfahren ist der „Superior Court of Justice“ der für den Ort des letzten Wohnsitzes des Erblassers zuständig ist.

Wenn der Erblasser den Nachlassabwickler selbst testamentarisch bestimmt hat, so hat dieser "executor" das Recht und nach Annahme dieses Amtes auch die Pflicht, den Nachlass zu verwalten.

 

Im Falle von gesetzlicher Erbfolge bestimmt das Gericht den „executor“, welcher in diesem Fall als "administrator" bezeichnet wird.

Wenn die im Testament hierzu bestimmte Person nicht in der Lage oder nicht Willens ist, dieses Amt auszuüben, bestimmt auf Antrag das Gericht einen geeigneten Nachlassabwickler.

 

Das Verfahren beginnt in der Regel mit dem Antrag der berufenen Person auf Erteilung eines Zeugnisses (Grant) über seine Bestellung. 

Wenn der Nachlass zwischen den beteiligten unstreitig ist, sind dem Gericht folgende Dokumente vorzulegen:

  • Der Antrag selbst;
  • Eine eidesstattliche Versicherung;
  • Zwei Kopien der Testaments-Auskunft;
  • Eidesstattliche Versicherungen über die Zustellung an die zu informierenden Personen;
  • Eidesstattliche Versicherung über die Aktiva und Passiva;
  • Das Original des Testaments;
  • Nachweis über die Zahlung der Gebühr für das Probate-Verfahren

Wenn das Gericht das Vorliegen aller Voraussetzungen bejaht, erteilt es das Grant of Probate, wenn der „Executor“ im Testament benannt wurde, das „Grant of Administration“ bei gesetzlicher Erbfolge oder das „Grant of Administration with the will annexed“, wenn es ein Testament gibt ohne Bestimmung eines Nachlassabwicklers. 

 

Der Nachlassabwickler muss dann den Begünstigten bzw. Erben eine Kopie des Antrags übersenden, die sog. „notice“.

 

Wer die Erteilung eines Nachlasszeugnisses anfechten möchte, kann einen Einspruch (Probate Dispute Notice) einreichen.

 

Solange der Einspruch anhängig ist, kann noch kein Nachlasszeugnis erteilt werden. Das Gericht kann, wenn der Einspruch nicht im besten Interesse des Nachlasses ist, diesen zurückweisen. 

 

Der Nachlassabwickler soll den Nachlass in Besitz nehmen, die Nachlassverbindlichkeiten tilgen sowie gegenüber den Begünstigten und Gläubigern Rechenschaft ablegen, alle anderen Pflichten erfüllen, die dem persönlichen Vertreter durch Testament oder Gesetz auferlegt werden, und schließlich den Nachlass an die Begünstigten verteilen.

 

Er hat außerdem die kanadische Einkommensteuer (income tax) des Verstorbenen für das Sterbejahr einschließlich der durch den Erbfall ausgelösten Kapitalgewinnsteuer zu erklären. Er hat beim Finanzamt die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (clearance certificate) zu beantragen.

 

Nach Zahlung der Nachlassverbindlichkeiten erteilt er den Erben gegenüber Rechenschaft und verteilt die verbleibenden Nachlassgegenstände an die Begünstigten.

 

Auf Antrag der Erben muss der Nachlassabwickler auch dem Gericht einen Rechenschafts- und Verteilungsplan zur Genehmigung vorlegen, dem „Passing of Accounts“. 

 

Die Verteilung erfolgt nach den Bestimmungen im Testament unter Berücksichtigung zwingender Regelungen, z.B. der Ansprüche des überlebenden Ehegatten oder der Kinder gemäß Part 4 Division 6 WESA, oder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Die Verteilung soll nicht vor Ablauf von 210 Tagen nach Erteilung des Grant erfolgen, Sec.  155 (1) WESA, bei Anhängigkeit eines Gerichtsverfahrens erst mit Vorliegen der Zustimmung des Gerichts, Sec. 155 (2) WESA. 

 

Der Nachlassabwickler erhält eine angemessene Vergütung, jedoch nicht über 5 % des Nachlasswertes, Sec. 88 (1) TA. Außerdem erhält er eine jährliche Vergütung von 0,4 % des Nachlasses, Sec. 88 (3) TA. 

 

Für bestimmte Vermögensgegenstände gibt es die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens, z.B. bezüglich Nachlassgegenständen wie Fahrzeugen. Hier genügt die Vorlage des Testaments oder die Zustimmung aller gesetzlicher Erben für die Umschreibung auf den Begünstigten, wenn der Wert des Nachlasses nicht höher als CAD 25.000 ist.